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Wird der deutsche CO2-Preisplan der Herausforderung des Klimawandels gerecht?

… und wie sieht die Zukunft für den EU-Kohlenstoffmarkt aus?

Ein Interview mit Sabine Frank

Meinen Sie, dass das Klimapaket der Bundesregierung und sein CO2-Preiselement der Aufgabe gewachsen sind, den Wandel zu Klimaneutralität im Land voranzutreiben?

Es ist ein Fortschritt, die Umweltverschmutzung im Verkehrs- und Wärmesektor zu verteuern. Aber der Schritt selbst ist nicht groß genug, nicht schnell genug, um mit dem Klimawandel Schritt zu halten. Weder in der anfänglichen Festpreisphase von 2021 bis 2025 noch ab 2026, wenn sich der Preis am Markt bilden soll, wird das neue Emissionshandelssystem ein emissionsarmes und klimafreundliches Verhalten fördern. Der Einstiegspreis von 10 € pro Tonne CO2 im Jahr 2021 ist viel zu niedrig. Für Autofahrer beispielsweise werden dies zunächst nur wenige Cent pro Liter Benzin oder Diesel mehr sein. Gleichzeitig wird dieses kaum wahrnehmbare Preissignal durch die Erhöhung der Pendlerpauschale (Steuererleichterung für Personen, die mehr als 20 km mit dem Auto zur Arbeit fahren) untergraben.

Ein (allgemeiner) CO2-Preis, der mit der Umsetzung des Pariser Übereinkommens vereinbar ist, sollte bis 2020 zwischen 36 und 73 € / tCO2 und bis 2030 zwischen 45 und 91 € / tCO2 liegen. Der endgültige Höchstpreis von 60 € / tCO2 , den die Bundesregierung für 2026 plant, sollte eher der Startpreis sein!

Mit dem vorgeschlagenen System ist Deutschland weniger ehrgeizig als die EU-Partner Schweden mit einem aktuellen CO2-Preis von 115 EUR pro Tonne, Finnland mit 64 EUR, Frankreich mit 45 EUR und weitere fünf EU-Länder. Deutschland ist daher kein gutes Beispiel, sondern ein Alibi für andere Nachzügler in der Klimapolitik.

Wie kann es sein, dass in Deutschland eine so unzureichende CO2-Preisgestaltung eingeführt werden soll? Es ist nicht so, dass die Bundesregierung nicht weiß, was sie tut. Im Kleingedruckten des Klimapakets selbst wird zugegeben, dass Deutschland in der Einführungsphase des Preissystems sein nationales Klimaziel im Rahmen der EU-Verpflichtungen nicht erreichen wird.  Sein Kohlenstoff-Austoß im Verkehrs- und Wohnungssektor wird die gesetzlichen Grenzen überschreiten und Deutschland wird Emissionszuteilungen aus anderen Ländern zukaufen müssen!

Was in Deutschland gefehlt hat, ist eine direkte Beteiligung der Öffentlichkeit an der Festlegung der Grundsätze der CO2-Preisgestaltung – des Preisniveaus, der Entlastung der Bürge und Bürgerinnen und der Verwendung der Einnahmen. Durch Zusammenarbeit mit Bürgerräten hätte die Bundesregierung wesentlich mehr Zielsicherheit und soziale Unterstützung schaffen können. Andere Länder holen hinsichtlich der Bürgerbeteiligung auf, zum Beispiel Frankreich mit seiner “Convention Citoyenne pour le Climat” oder Großbritannien mit seiner “Citizens Climate Assembly”.

Wie beurteilen Sie die Pläne der Regierung, das deutsche Emissionshandelssystem für Verkehr und Gebäude in den europäischen Kohlenstoffmarkt zu integrieren?

Der aktuelle CO2-Preis im EU-Emissionshandelssystem liegt bei rund 25 € / tCO2. Wenn der Verkehrssektor in das EU-EHS einbezogen würde, würde dies eine Preiserhöhung von 6 Cent auf den Liter an der Zapfsäule bedeuten. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Menschen allein aus diesem Grund weniger fahren. Die Einbeziehung des Verkehrs- und des Wohnungssektors würde auch Angebots-Management der Zertifikate erschweren. So variiert der Wärmebedarf im Wohnungsbau je nach Witterung und damit auch nach Energieträgern und Emissionszertifikaten.

Im Wohnbereich würde ein CO2-Preis auch andere Hindernisse für die Einführung groß angelegter Energiesparmaßnahmen nicht aus dem Weg räumen – zum Beispiel die fehlende Vorfinanzierung für den Umstieg auf klimafreundliche Heiztechnik. Die Notwendigkeit von Förderungen und Anreizen bliebe also bestehen.

Es gibt wirksamere Instrumente zur Bekämpfung des Klimawandels in diesen Bereichen, z. B. CO2-Standards für Autos und Energieeffizienzstandards für Gebäude. Wenn Gebäude und Verkehr in das EU-EHS einbezogen würden, könnte dies auch als Argument für die Aufhebung der bestehenden sektoralen Vorschriften herangezogen werden.

Wichtiger ist die Einführung eines Mindestpreises für CO2 im EU-EHS, eine Initiative, die nun auch von der Bundesregierung unterstützt wird. Bis es einen EU-weiten Mindestpreis gibt, täte Deutschland gut daran, einen nationalen Mindestpreis für die bestehenden EU-EHS-Sektoren einzuführen. Großbritannien hat seit 2013 einen Mindestpreis von 24 € / tCO2 und die Niederlande führen derzeit einen nationalen Mindestpreis ein.

Deutschland hat beschlossen, aus  Kohle auszusteigen, und viele andere Länder in ganz Europa verfolgen dieses wichtige Ziel ebenfalls. Wie lässt sich vermeiden, dass  daraus wieder ein Überschuss an Emissionslizenzen auf dem EU-Kohlenstoffmarkt entsteht?

Die Bundesregierung (und alle anderen Regierungen) muss die Zertifikate, die nach  der Stilllegung von Kohlekraftwerken nicht mehr verwendet werden, vom Markt nehmen, damit ein Überschuss an Zertifikaten den CO2-Preis auf dem EU-Kohlenstoffmarkt nicht zusammen brechen lässt. So lautet ja auch die Empfehlung der Deutschen Kohlekommission. Der seit diesem Jahr bestehende EU-Mechanismus zur Eindämmung des Überangebots (Marktstabilitätsreserve) reicht nicht aus, um den aufkommenden Überschuss auszugleichen.

Sieben EU-Länder haben die Kohleverstromung bereits hinter sich gelassen (Belgien, Zypern, Luxemburg, Malta und die baltischen Staaten). In weiteren elf EU-Ländern ist der Abschied von der Kohle programmiert. Laut unserer jüngsten Studie könnte dies im Zeitraum von 2021 bis 2030 zu einem Überschuss von 2,22 Milliarden Zertifikaten führen. Dies ist vergleichbar mit dem Volumen, das 2011-2013 zum Einbruch des CO2-Preises (und 2019 zur Einführung  der Marktstabilitätsreserve) geführt hat.

Das Handeln der Bundesregierung ist hier besonders gefragt, denn bis 2038 wird mehr als die Hälfte der Überschusslizenzen durch den deutschen Kohleausstieg generiert. Nach unseren Berechnungen werden es bis 2030 1,1 Milliarden Lizenzen und bis 2040 weitere 2,1 Milliarden Lizenzen sein 2040.

Wenn die Verschmutzungszertifikate nicht annulliert werden, verlagern sie die Emissionen nur von den geschlossenen Kohlekraftwerken auf die Luftfahrt, die Schwerindustrie und Kohlekraftwerke in anderen Ländern. Dieser Effekt ist nicht zu unterschätzen. Neun EU-Länder, insbesondere Polen, haben noch keine Frist für den Ausstieg aus der Kohle festgelegt. Ein Überangebot an Emissionszertifikaten und damit niedrige Preise könnten ihre Kohlekraftwerke rentabler machen und deren Stilllegung damit noch schwieriger.

Wie soll sich der Emissionshandel im EU-EHS entwickeln?

Die nächste Überarbeitung des EU-EHS ist derzeit für 2023 geplant. Diese Überarbeitung muss jedoch vorgezogen werden, damit die EU ihren Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen und der erwarteten Erhöhung der EU-Klimaziele für 2030 nachkommen kann.

Dies bedeutet insbesondere, dass sich das Tempo, mit dem die Obergrenze jedes Jahr gesenkt wird, auf fast 4,2% verdoppeln muss. Vor allem aber muss die kostenlose Vergabe von Verschmutzungslizenzen – derzeit mehr als 90% für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen – ein Ende finden. Die Einnahmen aus der Versteigerung von Verschmutzungslizenzen müssen in Klimaschutzmaßnahmen wie die Dekarbonisierung der Industrie investiert und zur Gestaltung eines gerechten Wandels verwendet werden.

Es gibt also viel zu tun, und der Schwung, den die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen mit der Ankündigung eines europäischen Green Deals bringt, muss gut genutzt werden.

Dieser Text basiert auf einem Interview mit dem deutschen Fernsehsender ZDF/3Sat für eine Sendung in der Reihe “Makro”, die voraussichtlich am 13. Dezember ausgestrahlt wird.

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