24 Oktober 2014, Brüssel. EU Staats- und Regierungschefs haben sich heute auf ein 40%-Reduktionsziel von Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 geeinigt. Aufgrund der Altlast von überschüssigen Emissionszertifikaten wird die tatsächliche Verringerung nur 31% sein. Außerdem wurden neue Emissionshandelsoptionen ausgehandelt, bei denen notwendige Klimaschutzmaßnahmen in wichtigen Bereichen wie im Transportwesen und bei Gebäuden vermieden werden. Gleichzeitig könnten sich die Subventionen für die Industriebetriebe in Form kostenloser Emissionszertifikate im Zeitraum 2012-2030 auf bis zu 300 Milliarden € belaufen.
Auf ihrem heutigen Treffen verständigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf neue Kernziele: ein EU-weit verbindliches Ziel für erneuerbare Energien von mindestens 27%, ein indikatives Energie-Effizienz-Ziel von mindestens 27% und ein verbindliches Reduktionsziel für Treibhausgasemissionen innerhalb der EU von mindestens 40% bis 2030.
Die EU-Staats- und Regierungschefs beschlossen, dass das EU-Emissionshandelssystem (EU Emission Trading System, EU ETS) mit einer Finanzmarkt-Stabilitätsreserve „das wichtigste europäische Instrument“ für das Erreichen des 40%-Klimaschutzziels sein wird. Sie verständigten sich jedoch nicht darauf, die endgültige Streichung der mehr als 2,6 Milliarden überschüssiger Emissionszertifikate bis 2020 zu fordern.
Femke de Jong, Politikbeauftragte bei Carbon Market Watch, kommentierte: „Dadurch, dass die EU-Staats- und Regierungschefs gestatten, dass Phantom-Verschmutzungsrechte anstelle von echten Emissionsreduktionen gehandelt werden dürfen, nehmen sie in Kauf, dass diese heiße Luft das Klimaschutzziel der EU für 2030 abschwächt, denn tatsächlich hat man sich dann nur auf ein 31%-Reduktionsziel geeinigt“.
Im Gegensatz zum existierenden Klimaschutzziel für 2020 ist unter dem neuen Klimaschutzziel für 2030 nicht gestattet, internationale Emissionsgutschriften aus Kompensationsprojekten in Entwicklungsländern zu nutzen. Als Kompensation für die fehlende internationale Flexibilität verständigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf eine Reihe von Handelsoptionen innerhalb der EU: 1) Handel mit Emissionsgutschriften zwischen EU-Mitgliedstaaten in Sektoren, die nicht in den EU ETS einbezogen sind, wie beispielsweise im Transportwesen, bei Gebäuden, in der Landwirtschaft und Abfallwirtschaft – d.h., Kompensationsmaßnahmen innerhalb der EU (sog. ‘domestic offsetting’); 2) Nutzung von EU ETS-Emissionsgutschriften zur Erreichung der Reduktionsziele in Nicht-ETS-Sektoren.
„Kompensationsprojekte innerhalb der EU können ein gutes Instrument sein, um Emissionsreduktionen in ärmeren EU-Ländern voranzutreiben. Es ist jedoch kontraproduktiv, wenn gestattet wird, dass ETS-Emissionsgutschriften für Reduktionen im Nicht-ETS-Sektor verwendet werden. Die Nachfrage nach Kompensationsmaßnahmen innerhalb der EU wird dadurch reduziert und knappe öffentliche Mittel werden für den Kauf von Heiße-Luft-Emissionen von Unternehmen verschwendet“, fügte de Jong hinzu.
Die EU-Staats- und Regierungschefs vereinbarten auch, weiterhin kostenlose Emissionszertifikate an die Industrie zu verteilen und ließen offen, ob es künftig eine Obergrenze für die insgesamt zur Verfügung gestellten kostenlosen Emissionszertifikate geben wird. Bei einem durchschnittlichen Kohlenstoffpreis von 30€ und einer geschätzten Anzahl von 6,3-10,3 Milliarden Emissionszertifikaten, die voraussichtlich im Zeitraum von 2021-2030 kostenlos verteilt werden, könnte dies zu Subventionen in Höhe von 190-300 Milliarden € führen.
Femke de Jong kommentierte: „Die heutige Entscheidung hat wenig damit zu tun, eine sauberere, nachhaltigere Zukunft für die Bürger Europas zu gewährleisten. Sie bedeutet, dass die europäischen Steuerzahler mal wieder für die Verschmutzung durch die Industrie aufkommen müssen. Gleichzeitig stehen Vorreiter praktisch mit leeren Händen da.”
Die EU-Staats- und Regierungschefs ließen die Tür offen, die Zusage der EU nach dem Klimagipfel in Paris nächstes Jahr, bei dem ein künftiges internationales Klimaübereinkommen, das das Kyoto-Protokoll ersetzen soll, erwartet wird, zu erhöhen.
Eva Filzmoser, Direktorin von Carbon Market Watch, kommentierte: „Die internationale Führungsrolle der EU wird davon abhängen, ob aussagekräftige Schritte unternommen werden, sich noch vor dem Pariser Klimagipfel zu ehrgeizigeren Zielen zu bekennen. Dies beinhaltet auch weitere Vorschläge zur Gesetzgebung, um Schlupflöcher und unnötige Subventionen in der Klima- und Energiepolitik in Europa nach 2020 zu beseitigen.“
ENDE.
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Informationen für Journalisten:
- Link zur Ratsentscheidung
- Die 190-300 Milliarden €-Subventionen für die Industrie wurden auf der Grundlage eines Kohlenstoffpreises von durchschnittlich 30€/Tonne CO2-Äquivalenten und einer Gesamtzuteilung von 6,3-10,3 Milliarden kostenloser Emissionszertifikate im Zeitraum von 2021-2030 errechnet (abhängig davon, ob der Berichtigungsfaktor bestehen bleibt). Etwa 6,3 Milliarden Emissionszertifikate werden voraussichtlich von 2012-2030 kostenlos verteilt, falls die gegenwärtige Situation bestehen bleibt, d.h., wenn man die sektorübergreifenden Berichtigungsfaktoren bis 2020 in die Zukunft extrapoliert. Die EU-Staats- und Regierungschefs beschlossen, dass durch die kostenlose Zuteilung künftig auch die indirekten Kosten gedeckt werden sollen, und sie ließen offen, ob der Berichtigungsfaktor weiterhin bestehen bleiben soll. Ecofys (2014) hat gezeigt, dass, wenn der Berichtigungsfaktor entfällt und die Industrie auch für die indirekten Kosten entschädigt wird, die Industrie im Zeitraum 2021-2030 4 Milliarden kostenlose Emissionszertifikate mehr erhalten wird als im Rahmen der gegenwärtigen Richtlinien zur Verlagerung von CO2-Emissionen (‘carbon leakage‘ rules).
Kontakt:
Eva Filzmoser
Direktorin Carbon Market Watch
Tel: +32 499 21 20 81